Neugründung versus Unternehmensnachfolge als Wege in die Selbständigkeit

Symbol Schlüsselübergabe gold

Interessenten einer Selbständigkeit haben grundsätzlich zwei Wege, ihren Traum vom Chef/in-sein zu realisieren: Die Neugründung eines Start-ups oder die Nachfolge eines etablierten Unternehmens anzutreten. Beide Wege haben ihre Vorteile und auch Grenzen, welche für die Entscheidung abgewogen werden sollten. Nachfolgend werden diese Aspekte sowie die Erfordernisse zur Entscheidungsfindung für einen der beiden Wege in die Selbständigkeit dargelegt.

 

Zahlen zum Gründungs- und Nachfolgegeschehen im Münsterland

 

In unserer Region Nordwestfalen entstanden im Jahr 2019 lt. Daten der NRW-Bank und des IfM Bonn zusammengefaßt rund 5.000 gewerbliche, freiberufliche und landwirtschaftliche Neugründungen im Vollerwerb. Hinzu kommen etwa nochmal so viele Nebenerwerbs- und Kleingewerbegründungen. Rund ein Drittel der Vollerwerbsgründungen beschäftigen vom Start weg bereits Mitarbeitende.

Bei den Unternehmensnachfolgen gibt es laut IHK Nordwestfalen und FHDW eine große Zahl an rd. 31.000 Familienunternehmen, welche bis 2027 zur Übernahme anstehen. Allerdings erwirtschaften hiervon nur rund 7.500 Unternehmen den Mindestgewinn von 50.000 Euro für die Lebensgrundlage des Inhabers (m/w/d). Und hiervon werden laut langjährigen Studien des IfM durchschnittlich 29% der Betriebe an familienexterne Übernehmer/innen übergeben. Demnach stehen externen Interessenten an einer Nachfolge etwa 200 übergabewürdige Unternehmen pro Jahr in allen Branchen des Münsterlandes zur Verfügung.

 

Vorteile und Grenzen der Neugründung versus der Nachfolge eines Unternehmens:

 

Generell kann man nicht sagen, dass eine Neugründung oder eine Nachfolge dem jeweils anderen Weg in die Selbständigkeit überlegen ist. Daher gebe ich ein paar Tendenzaussagen zu diesen beiden Wegen in die Selbständigkeit, wobei immer die individuelle Situation der/des Nachfolger/in und des Unternehmens berücksichtigt werden muss:

  • Eine Neugründung ermöglicht einen höheren Grad an Autonomie und Selbstverwirklichung in einem neuen Geschäftsmodell, während die Unternehmensnachfolge das Durchstarten mit einem etablierten und erfolgreichen Geschäftsmodell bietet.
  • Neugründungen beinhalten daher tendenziell ein höheres Risiko des Scheiterns als Unternehmensübernahmen.
  • Start-Ups bieten eine höhere organisatorische Flexibilität, während bei Nachfolgen häufiger engere oder gar starre Strukturen und festgezurrte Prozesse bestehen.
  • Häufig bieten Neugründungen auch eine dynamischere Unternehmenskultur mit mehr positivem und negativem Stress gegenüber der Nachfolge in einem etablierten Unternehmen.
  • Dafür bieten Unternehmensnachfolgen die Chance auf Einarbeitung durch den bisherigen Inhaber/in, was weniger Stress/Unsicherheit für den/die Übernehmerin gegenüber einer Neugründung bedeuten kann.
  • Bei unterstellt gleichem Kapitalbedarf ist die Finanzierung einer Übernahme aufgrund von Ist-Daten zur bisherigen Geschäftsentwicklung häufig einfacher als die Finanzierung eines Start-Ups ohne historische Geschäftszahlen zu realisieren. Deswegen müssen Start-ups für eine Finanzierung regelmäßig noch den „Proof-of-Concept“ antreten, dass deren Geschäftsmodell nicht nur an der CANVAS-Wand theoretisch funktioniert, sondern eben tatsächlich Umsatz und Ertrag im realen Markt erwirtschaftet.

 

Erfordernisse für die fundierte Entscheidung zwischen Neugründung und Betriebsnachfolge

 

Beide „Weggabelungen“ in die Selbständigkeit, sei in Richtung Neugründung oder in Richtung Nachfolge eines Unternehmens, verlangen nach einer fundierten Entscheidungsgrundlage. Das Gefährlichste, was ein/e Interessent/in tun kann, ist die unvorbereitete und unkritische Neugründung oder Übernahme des Betriebes nach dem Motto „Die erst beste Chance ergreifen!“.

 

Damit das Gründungsvorhaben nicht zu den rund 50% der binnen 5 Jahren gescheiterten Neugründungen gehört oder der Familienbetrieb durch den Nachfolger „für immer geschlossen“ werden muss, ist eine systematische Geschäfts- und Finanzplanung des Vorhabens unablässlich. Diese sollte nicht auf Externe wie den Steuerberater oder Kammervertreter vollständig delegiert werden, sondern ist vom Interessenten selber wenigstens in den Grundzügen (mit-) zu erstellen. Beweist der angehende Selbständige damit doch die wesentliche Qualifikation eines/einer Chef/in, nämlich das kaufmännische Verständnis für die Planung der zu erwartenden Kosten, Erträge, Kapitalbedarfe und deren Entwicklungsperspektiven über die nächsten Jahre. Diese Kennzahlen wird er oder sie nämlich zukünftig den Anspruchsgruppen seines/ihres Unternehmens wie Banken, Kapitalgebern, Gesellschaftern, Finanzamt, Behörden etc. zumindest auszugsweise regelmäßig erläutern müssen.

Für die Erstellung der Businessplanung ist auf Informationen zum Geschäftsmodell, zu den Branchenentwicklungen etc. zurückzugreifen. Hierzu gibt es ganz vielfältige Informations- und Unterstützungsquellen von Seiten der regionalen Wirtschaftsförderungseinrichtungen, Förderbanken mit Sprechtagen, Kammern etc. Diese sollten vom Übernahme- oder Gründungsinteressenten immer vor den ersten Vertragsgesprächen eingeholt bzw. aufgesucht werden, um sich mit Experten über das Vorhaben auszutauschen und Fördermöglichkeiten nicht zu verletzten. Intensiver als beispielsweise Steuerberater können in dieser Situation zugelassene Unternehmensberater/innen helfen, zumal deren Kosten anteilig mit bis zu 50% auch im Falle einer Abberatung des Vorhabens vom Land NRW übernommen werden können. Auch können erfahrene Unternehmensberater die Verhandlungen mit dem Veräußerer, den Förder-/Kreditinstituten, beim Notar in eine für den Übernehmer/Gründer vorteilhafte Richtung lenken, beispielsweise um den Kaufpreis anhand einer für alle Seiten nachvollziehbaren Unternehmensbewertung zu plausibilisieren, ggf. zu verringern und damit dessen Finanzierung zu realisieren.

 

Weitere Hinweise und Erläuterungen zur Phase der Unternehmensübergabe demnächst als weiterer Beitrag in diesem Blog und bereits jetzt in meinem Podcast für das Projekt Gründergeist #Youngstarts Münsterland der interkommunalen Regionalmanagement-Organisation Münsterland e.V.

 

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